Europaweit wird die Finanzlage der Kommunen immer prekärer. Auf einer internationalen Konferenz linker Kommunalpolitiker am Wochenende in Herne wurde deutlich: Die Problemlagen sind ähnlich.
Artikel von Marcus Meier, erschienen in: Neues Deutschland, 07.05.2012
Geschlossene Bibliotheken, eine aussterbende Innenstadt, verkommende Viertel – und jeder nicht zwangsweise ausgegebene Euro muss von höherer Ebene absegnet werden: Es steht nicht gut um die Stadt Herne im Ruhrgebiet. Unlängst beschloss der Stadtrat, in den »Stärkungspakt Kommunalfinanzen« der rot-grünen Landesregierung zu kriechen. Für jede Million, die sie künftig vom Land NRW erhalten, müssen die Herner Millionen Euro einsparen. Wie viele genau, ist derzeit ebenso unklar wie die Antwort auf die Frage, wo eigentlich noch gekürzt werden kann über jene Etat-Schrumpfung von 155 Millionen hinaus, die bis 2016 zu stemmen ist.
Geschlossene Schulen, kaputte Gebäude, kein Geld? Sie habe sich in Herne gleich wie zu Hause gefühlt, sagt Esther Herguedas, Ratsfrau in der südostspanischen Stadt Murcia und Mitglied der Izquierda Unida (Vereinigte Linke). Neben ihr nicken der Kommunalpolitiker Rui Costa vom portugiesischen Linksblock und der Franzose Jean-Paul Plassard, Vorsitzender des Europäischen Netzwerks progressiver Kommunalbehörden und Ratsleute (Realpe).
Am Samstag trafen sich rund 30 linke Kommunal- und Europa-Politiker im Volkshaus Röhlinghausen, um über den »Kollaps der Kommunalfinanzen aus europäischer Sicht« zu debattieren. Geladen hatte die Parlamentsfraktion Europäische Linke/ Nordisch Grüne Linke im Europaparlament.
Realpe-Chef Plassard lieferte einen Überblick über die Situation in den Kommunen europäischer Länder. Die Politik im Namen der Austerität (wörtlich: Enthaltsamkeit) habe überall die selben Auswirkungen. »Kommunalpolitiker bekommen das als Erste zu spüren«, so Plassard. Europaweit litten die Kommunen unter den Krisen, bekämen vom Staat immer weniger Geld und immer mehr Aufgaben, mithin sei die kommunale Selbstverwaltung gefährdet.
Europaweit auch verscherbeln Kommunen ihr Tafelsilber oder setzen auf das unvorteilhafte Public-Private-Partnership (PPP). So berichtete Costa von PPP-Projekten im Bereich der Wasserversorgung, die schlicht nicht beherrschbar seien. Konzernen würden verträglich Gewinnmargen garantiert – und sogar der Wasserverbrauch festgeschrieben. In Köln, so wäre zu ergänzen, gab es sehr ähnliche Deals schon Anfang des Jahrtausends.
Auch die Kohäsionspolitik der EU sei bedroht, so die LINKE-Politikerin und Europaabgeordnete Cornelia Ernst. Eigentlich solle sie die »riesigen Unterschiede« der 271-EU-Regionen ein Stück weit ausgleichen und Armut bekämpfen – durch Umverteilung und die Co-Finanzierung von Förderprojekten für Wirtschaft und Infrastruktur. Doch derzeit finde ein Tauziehen um die künftig einzuspeisenden Gelder statt. Insbesondere die deutsche, aber auch die französische Regierung spielten dabei eine unrühmliche Rolle.
Was tun? Die Links-Kommunalos wollen sich weiter vernetzen. Dabei gebe es zwei Anknüpfungspunkte, so der Europaparlamentarier Jürgen Klute: Die Entscheidung über das künftige EU-Kohäsionsprogramm stünde zur Mitte des Jahres an. Daher müsse Druck auf die nationalen Regierungen ausgeübt werden. Wichtig sei auch ein europaweiter Widerstand gegen Entdemokratisierung und den Verlust lokaler Autonomie, so der LINKE-Politiker.