2. Prozesstag gegen Lothar König
Am 24.4.2013 fand der zweite Hauptverhandlungstermin gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König statt. König wird beschuldigt bei den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Dresden am 19.2.2011 schweren Landfriedensbruch begangen zu haben. Zeugenaussagen und ein Polizeivideo trugen am 24.4. dazu bei diese Anklage weiter in sich zusammenbrechen zu lassen
Dokumentation aus: nd-online, 25.4.2013, von Michael Bartsch
Keine Beweise gegen König
Einen Tag vor dem zweiten Hauptverhandlungstermin gegen Lothar König hatte das Landgericht Dresden die Funkzellenabfrage bei den Anti-Nazi-Demonstrationen 2011 für teilweise rechtswidrig erklärt. Doch sie war nicht nur das, sie blieb bei der Verfolgung der Randalierer am Rande dieser Demonstrationen vom 19. Februar auch völlig wirkungslos. Auch im Verfahren gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer, der zu solchen Straftaten aufgewiegelt haben soll, spielt dieses Mobilfunk-Überwachungsmittel überhaupt keine Rolle. Vor dem Amtsgericht Dresden setzte sich mit der Beweisaufnahme beim zweiten Hauptverhandlungstermin am Mittwoch vielmehr die sich schon zum Prozessauftakt abzeichnende Demontage der Anklage fort.
Als Zeugen geladen waren zunächst zwei Berliner Polizeibeamte. Sie sollten eigentlich die Tatziffer eins der Anklage stützen, wonach Lothar König am Morgen des 19.Februar in der Dresdner Südvorstadt per Lautsprecher dazu aufgerufen haben soll, »Ketten zu bilden und gegen die Polizeibeamten vorzurücken«. Doch beide konnten lediglich Zusammenstöße zwischen der Polizei und Demonstranten schildern.
Strafbare Handlungen des Angeklagten belegten sie nicht. »Ich habe keine direkten Aufrufe zur Gewalt vernommen«, sagte Polizeiobermeister Matthias P. Einsatzführer Michael D. beobachtete wohl, dass seine Verhandlungspartner sich oft auch am legendären Lautsprecherwagen der Jenaer Jungen Gemeinde abstimmten. Er hätte jedoch »keinen Sinn darin gesehen«, Maßnahme gegen den »Lauti« zu ergreifen, dessen Fahrer König ihm von Einsätzen in Gorleben bekannt war. D. erkannte außerdem am Mikrofon des Lautsprecherwagens zwei verschiedene Stimmen. Unklar blieb hingegen, ob bei den Gegendemonstrationen in der Südvorstadt noch ein zweiter Lautsprecherwagen oder ein Megafon zugegen waren.
Auch ein völlig verwackeltes Polizeivideo, das vermeintlich belastende Szenen zusammengeschnitten hatte, sprach eher zugunsten des Angeklagten. Der dilettantisch agierende Kameramann übertönte mit eigenen Kommentaren viele Ansagen Lothar Königs. Was zu verstehen ist, belegt eher deeskalierende Äußerungen, Ortsangaben und Rückzugshinweise des Pfarrers. Der Rat, sich wegen drohender Verhaftung möglichst nicht einzeln zurückzuziehen, kann wohl schwerlich als Landfriedensbruch gewertet werden. Zu sehen war auf dem Video vielmehr, dass auch die Polizei offensiv auf stehende oder langsam gehende Demonstranten einstürmte und einschlug. Worauf sich König über die »Provokation« beklagt hatte, dass auch ins Gesicht geschlagen werde.
Atmosphärisch war dies der Tag des Verteidigers »Johnny« Eisenberg, dessen Attacken und »Auswürfe«, so der Vorsitzende Richter Ulrich Stein, für Kenner allerdings zu seiner Normalform gehören. Insbesondere nach Ansicht des ersten Videos platzte Eisenberg der Kragen. Es blieb ihm vorbehalten, noch einmal auf das Grundmissverständnis dieses Prozesses hinzuweisen: Der Bürger genießt das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, der Staat hat sich für dessen Einschränkungen zu rechtfertigen und nicht umgekehrt! Starker Beifall im erneut vollbesetzten Saal, den auch der Vorsitzende nicht stoppen konnte.
Schon den ersten Zeugen attackierte der Verteidiger geradezu inquisitorisch, erinnerte ihn daran, dass er unter Wahrheitspflicht stehe und »keine Scheiße reden solle«. An Show grenzten die süffisanten verbalen Pieksereien mit Richter Stein, die dieser gelassen erwiderte. Ganz anders als die schon beinahe bedauernswerte Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer. Und der Angeklagte selbst? Lothar König wirkte ruhig, fast distanziert. In Erscheinung trat er nur, wenn er seinen Anwälten die Mikrofone richtete.
Der nächste Prozesstermin findet am 13. Mai 2013, 9 Uhr am Amtsgericht Dresden statt.