Am 29.3. marschierten bis zu 200 Nazis durch die tschechische Kleinstadt Duchcov. Genau dort hatte vor knapp einem Jahr eine Welle der rassistischen Hassmärsche gegen Roma begonnen.
Zwar schloss sich an diesem Samstagnachmittag keine nennenswerte Zahl von Anwohner*innen dem von der Nazipartei DSSS veranstalteten Aufmarsch an. Nichts desto ging es wiederum um eine Machtdemonstration gegen die vor Ort lebenden Roma. Im Mai und Juni 2013 hatten sich jeweils bis zu 800 Menschen Anti-Roma-Märschen in Duchcov angeschlossen. In beiden Fällen brachen damals Nazis aus den Märschen aus, versuchten in ein vor allem von Roma bewohntes Viertel zu gelangen und lieferten sich gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Als Anlass für die rassistischen Manifestationen musste eine Kneipenschlägerei herhalten. Ein an die Öffentlichkeit gelangtes Überwachungsvideo, auf dem die Auseinandersetzungen zwischen einem Pärchen und eine Gruppe Roma zu sehen ist, hatte die Stimmung vorher ordentlich angeheizt. Eine Woche nach der Schlägerei wurde in Teplice, unweit von Duchcov, ein Rom ermordet. (hier klicken) Beide Fälle werden derzeit vor Gericht verhandelt.
Scheinbar versuchen die Nazis diese Ereignisse wieder hochzukochen. Der von der Nazipartei DSSS angemeldete Aufmarsch richtete sich diesmal nominell gegen die NGO Konexe, die sich gegen die Diskriminierung von Roma und deren Empowerment engagiert. Bei fast allen der zahlreichen Hassmärsche im vergangenen Jahr waren Engagierte von Konexe am Start und versuchten sowohl Protest als auch Angebote für Kinder und psychologische Begleitung anzubieten.
Auch am 29.3.2014 waren sowohl Konexe als auch grenzüberschreitend Unterstützer*innen vor Ort.
Die äußerst kurze Route der Nazis führte vom Markt zu einem alten Bahnhof, vorbei an einer vor allem von Roma bewohnten Straße. Dort hatten sich Anwohner*innen und Unterstützer*innen postiert, zeigten Transparente und verbale Ablehnung. Nicht mehr als fünf Minuten dauerte der Spuk. Provokationen von Nazis nach Beendigung des Aufmarsches blieben aus (zumindest ist der Autorin bis zum frühen Abend nichts anderes bekannt geworden).
Der heutige Aufmarsch ist jedoch keineswegs das Ende der Hasswelle gegen Roma in Tschechien. Bis in den Mai sind mindestens sieben weitere Anmeldungen von Nazidemos zu verzeichnen. (hier klicken) Genau wie die NPD in Deutschland will die DSSS in Tschechien aus ihren rassistischen Mobilisierungen Kapital für die Wahlen schlagen. Sicherlich werden die rechtsaußen-Parteien in Deutschland und Tschechien mit ihrer Hetze keine Hegemonie erringen können. Dennoch knüpfen sie an gesellschaftlich weit verbreitete Einstellungen an.
Die neonazistische Agenda der Ausgrenzung und Diskriminierung findet sich abgeschwächt in den Programmen etablierter Parteien. Ist es hier das Gerede über “Asylmissbrauch” oder “Sozialbetrug, ist es dort das Label der “sozial Unangepassten”, das den Bodensatz für rassistische Mobbildung generiert.
Jule Nagel, 29.4.2014
* Bildquelle: Konexe