Jede vierte Frau in Deutschland hat schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Allein in Sachsen fliehen jedes Jahr ca. 700 Frauen mit ihren Kindern in Frauenhäuser. Obwohl die Zahl von (häuslicher) Gewalt betroffener Frauen so erschreckend hoch ist, tut sich in Sachen Gewaltschutz nur sehr langsam etwas. Noch immer gibt es nicht in jeder Polizeidienstelle Beauftragte oder in Staatsanwaltschaften Sonderdezernate für den Bereich häusliche Gewalt und Stalking. Schulungen für Polizeikräfte, Staatsanwält*innen, Richter*innen, Mitarbeiter*innen in Jugendämtern erfolgen eher zufällig – ein einheitliches Vorgehen für Sachsen mit dem Ziel der konsequenten Bekämpfung häuslicher Gewalt besteht nicht. Die Zahl der Plätze in Frauenschutzhäusern hat sich in Sachsen innerhalb der letzten fünf Jahre von 290 auf heute 240 verringert, fünf Frauenschutzeinrichtungen mussten schließen – trotz gegenteiliger Zielstellungen im Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt. Zudem sind Beratungs- und Interventionsstellen seit Jahren unzureichend finanziert.
Dies kommentiert Sarah Buddeberg, Sprecherin für Gleichstellungs- und Queerpolitik der Fraktion DIE LINKE: „Auch wenn sich in den vergangenen Jahren der gesellschaftliche Umgang mit häuslicher Gewalt verändert hat, ist es nach wie vor ein Tabuthema. Noch immer kommt es vor, dass häusliche Gewalt als Familienangelegenheit abgetan oder dem Opfer eine Mitschuld eingeräumt wird. Daher müssen Schulungen zur Sensibilisierung für Angestellte im öffentlichen Dienst, die mit dem Thema häusliche Gewalt in Berührung kommen, verpflichtend eingeführt und vor allem eine solide Finanzierung der Schutzeinrichtungen und Beratungs-stellen gesichert werden.“
Die sächsische Europaabgeordnete der LINKEN, Cornelia Ernst, fügt hinzu, „Gewalt gegen Frauen als massive Grundrechtsverletzung nimmt zu. Noch immer haben nicht alle EU-Mitgliedsstaaten die Istanbul-Konvention ratifiziert. Neuesten Studien zufolge haben 33 % der Frauen in der EU Gewalt erfahren. Hier sind die EU-Institutionen und alle Mitgliedstaaten gefordert, ihre Anstrengungen zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen zu verstärken. Erfreulich ist zumindest, dass sich im Ausschuss für die Rechte der Frau eine Arbeitsgruppe diesem Thema verstärkt widmen wird, was bitter nötig ist. Jede Form von Gewalt gegen Frauen muss bekämpft werden und Worten müssen endlich Taten folgen“.
Um auf die Missstände aufmerksam zu machen und die Tabuisierung des Themas aufzubrechen, arbeiten beide Abgeordnete an einem Ausstellungsprojekt zum Thema häuslicher Gewalt in Sachsen und Europa. Die mobile Ausstellung soll Anfang 2016 fertiggestellt werden und dann – gemeinsam mit Aktivist_innen und Verantwortlichen aus dem Bereichen Opferschutz und Prävention – in Sachsen gezeigt werden.